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Schnitt und Rückschnitt der Edelkastanie

Daria · 26.03.2025.

Der Schnitt und Rückschnitt der Edelkastanie ist eine wesentliche Kulturmaßnahme, die, mit Sachverstand und zur richtigen Zeit durchgeführt, maßgeblich zur Entwicklung eines gesunden, stabilen und ertragreichen Baumes beiträgt. Anders als viele andere Obstgehölze benötigt die Edelkastanie keinen jährlichen, intensiven Schnitt, aber gezielte Eingriffe in den ersten Jahren und spätere Erhaltungsmaßnahmen sind unerlässlich. Das Hauptziel des Schnitts ist es, eine gut strukturierte, lichte Krone aufzubauen, die eine optimale Lichtausnutzung ermöglicht, die Fruchtqualität verbessert und die Ernte erleichtert. Ein unsachgemäßer oder vernachlässigter Schnitt kann hingegen zu einer instabilen Krone, verminderter Fruchtbarkeit und einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit führen.

Grundsätzlich lässt sich der Schnitt der Edelkastanie in drei Hauptphasen unterteilen: den Pflanzschnitt, den Erziehungsschnitt in den Jugendjahren und den Erhaltungs- oder Auslichtungsschnitt bei älteren Bäumen. Jede dieser Phasen hat spezifische Ziele und erfordert unterschiedliche Techniken. Der beste Zeitpunkt für die meisten Schnittmaßnahmen ist der späte Winter oder das sehr frühe Frühjahr (Februar bis Anfang März), wenn der Baum sich in der Saftruhe befindet und keine starken Fröste mehr zu erwarten sind. Schnitte während dieser Zeit heilen gut und regen den Baum zu einem kräftigen Austrieb im Frühjahr an.

Beim Schnitt ist die Verwendung von scharfem und sauberem Werkzeug von größter Bedeutung. Scharfe Sägen und Scheren erzeugen glatte Schnittwunden, die schneller verheilen als ausgefranste Wunden. Eine Desinfektion des Werkzeugs, beispielsweise mit Alkohol, vor dem Schnitt und insbesondere beim Wechsel von einem Baum zum nächsten ist eine wichtige präventive Maßnahme, um die Übertragung von Krankheiten wie dem gefürchteten Kastanienrindenkrebs zu verhindern.

Ein grundlegendes Prinzip beim Schnitt ist das Entfernen von Ästen direkt am Astring, dem wulstigen Übergangsbereich zwischen Ast und Stamm oder einem stärkeren Ast. Dieser Bereich enthält spezielles Gewebe, das die Wundheilung fördert. Wird der Ast zu weit vom Stamm entfernt geschnitten (es bleibt ein „Kleiderhaken“ stehen), kann dieser Stumpf absterben und zu einer Eintrittspforte für Fäulnis werden. Wird zu dicht am Stamm geschnitten und der Astring verletzt, wird die Wundheilung ebenfalls beeinträchtigt.

Größere Schnittwunden mit einem Durchmesser von mehr als drei bis vier Zentimetern sollten mit einem Wundverschlussmittel behandelt werden. Dies schützt die offene Wunde vor Austrocknung und dem Eindringen von Krankheitserregern, bis der Baum die Wunde selbstständig durch die Bildung von Kallusgewebe verschlossen hat. Dies ist besonders wichtig bei einer Baumart, die anfällig für Rindenkrankheiten ist.

Der Pflanzschnitt

Der Pflanzschnitt erfolgt direkt nach der Pflanzung des jungen Baumes und ist ein entscheidender erster Schritt für die Entwicklung einer guten Kronenform. Dieser Schnitt dient dazu, ein Gleichgewicht zwischen der durch das Umpflanzen reduzierten Wurzelmasse und der oberirdischen Krone herzustellen. Ein zu großes Blattwerk könnte von den geschwächten Wurzeln nicht ausreichend mit Wasser versorgt werden, was zu Anwachsproblemen führen würde.

Bei einem jungen, unverzweigten Baum wird der Haupttrieb um etwa ein Drittel eingekürzt. Dies regt die Verzweigung und die Bildung von Seitentrieben im folgenden Jahr an. Bei einem bereits verzweigten Jungbaum wird ein kräftiger, gerader Trieb als zukünftiger Mitteltrieb ausgewählt. Alle anderen, direkt konkurrierenden Triebe werden entfernt.

Anschließend werden drei bis vier gut verteilte, starke Seitentriebe als zukünftige Leitäste ausgewählt. Diese sollten idealerweise in verschiedene Himmelsrichtungen weisen und in unterschiedlichen Höhen am Stamm ansetzen, um eine stabile Kronenstruktur zu gewährleisten. Alle anderen, überzähligen, zu tief ansetzenden oder zu steil wachsenden Seitentriebe werden direkt am Stamm entfernt. Die ausgewählten Leitäste werden ebenfalls um etwa ein Drittel bis zur Hälfte eingekürzt, wobei der Schnitt über einer nach außen weisenden Knospe erfolgen sollte.

Dieser erste Formschnitt mag radikal erscheinen, ist aber für den langfristigen Aufbau einer stabilen und gut geformten Krone von unschätzbarem Wert. Er legt den Grundstein für die weitere Entwicklung des Baumes und erleichtert die Erziehungsmaßnahmen in den folgenden Jahren erheblich. Ein gut durchgeführter Pflanzschnitt sorgt für einen kräftigen Austrieb und eine gute Verzweigung im ersten Standjahr.

Der Erziehungsschnitt in den Jugendjahren

In den ersten drei bis fünf Jahren nach der Pflanzung folgt der Erziehungsschnitt, der die beim Pflanzschnitt begonnene Formgebung fortsetzt. Das Ziel ist der Aufbau einer Pyramidenkrone mit einem klaren Mitteltrieb und gut gestellten Leitästen. Jedes Jahr im Spätwinter wird die Krone korrigiert und geformt.

Der Mitteltrieb wird weiterhin gefördert, indem konkurrierende, steil nach oben wachsende Triebe entfernt werden. Die Spitze des Mitteltriebs wird jedes Jahr leicht eingekürzt, um die Verzweigung anzuregen und die Bildung weiterer Etagen von Seitentrieben zu fördern. Die Leitäste, die das Gerüst der Krone bilden, werden ebenfalls behandelt. Zu steil wachsende Leitäste werden entfernt oder auf flacher wachsende Seitentriebe abgeleitet.

An den Leitästen entwickeln sich die sogenannten Fruchtäste. Auch hier wird auf eine gute Verteilung geachtet, und nach innen wachsende oder sich kreuzende Triebe werden entfernt. Der Erziehungsschnitt dient vor allem dazu, eine offene, luftige und gut belichtete Kronenstruktur zu schaffen. Jeder Ast und jeder Trieb sollte genügend Platz und Licht für seine Entwicklung haben.

Während dieser Phase ist es wichtig, nicht zu zögerlich zu sein. Alle Äste, die die gewünschte Kronenform stören, werden konsequent entfernt. Dies lenkt die Wachstumsenergie des Baumes in die verbleibenden Triebe und fördert den Aufbau eines starken und tragfähigen Gerüstes. Ein gut erzogener Baum ist später weniger anfällig für Astbruch unter der Last der Früchte oder bei Sturm.

Der Erhaltungsschnitt bei älteren Bäumen

Sobald der Baum seine endgültige Größe und Form erreicht hat und regelmäßig Früchte trägt, geht der Erziehungsschnitt in den Erhaltungsschnitt über. Dieser ist weniger intensiv und dient hauptsächlich dazu, die Vitalität des Baumes zu erhalten, die Fruchtqualität zu sichern und die Krone licht und gesund zu halten. Diese Maßnahmen werden in der Regel alle zwei bis drei Jahre durchgeführt.

Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Entfernen von totem, krankem oder beschädigtem Holz. Solche Äste sind nicht nur unproduktiv, sondern stellen auch eine Infektionsquelle dar. Sie werden bis ins gesunde Holz zurückgeschnitten. Ebenso werden sich kreuzende oder aneinander reibende Äste entfernt, da die dadurch entstehenden Wunden Eintrittspforten für Krankheiten sind.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Auslichten der Krone. Zu dicht stehende, nach innen wachsende oder senkrecht nach oben schießende Triebe (Wasserschosse) werden entfernt. Dies verbessert die Belichtung und Belüftung im Inneren der Krone, was, wie bereits mehrfach erwähnt, die Fruchtqualität verbessert und das Risiko von Pilzkrankheiten verringert. Eine lichte Krone ermöglicht es dem Sonnenlicht, auch die Früchte im Inneren des Baumes zu erreichen und ausreifen zu lassen.

Manchmal kann es notwendig sein, ältere, herabhängende und ertragsschwache Fruchttriebe zu entfernen, um die Bildung von neuem, vitalem Fruchtholz anzuregen. Dies geschieht durch den sogenannten Ableitungsschnitt, bei dem ein älterer Ast auf einen jüngeren, günstiger positionierten Seitentrieb zurückgeschnitten wird. Radikale Rückschnitte ins alte Holz sollten bei der Edelkastanie jedoch vermieden werden, da sie oft mit einem starken Austrieb von Wasserschossen reagiert, die die Kronenstruktur stören.

Spezielle Schnittmaßnahmen und Fehlervermeidung

Neben den regulären Schnittphasen können auch spezielle Situationen einen Eingriff erfordern. Nach einem Sturmschaden müssen abgebrochene Äste sauber nachgeschnitten werden, um die Wundheilung zu fördern. Starker Befall mit Krankheiten wie dem Kastanienrindenkrebs erfordert ein großzügiges Entfernen der befallenen Partien bis weit ins gesunde Holz, wobei das Werkzeug nach jedem Schnitt desinfiziert werden muss.

Einer der häufigsten Fehler beim Schnitt ist das Zögern, in den jungen Jahren ausreichend stark zu korrigieren. Schwache, spitze Astgabelungen oder mehrere konkurrierende Mitteltriebe, die in der Jugend nicht entfernt werden, führen später zu instabilen Kronen, die bei Sturm oder Schneelast leicht auseinanderbrechen können. Ein weiterer Fehler ist der bereits erwähnte falsche Schnitt am Astring, der zu „Kleiderhaken“ oder zu großen Wunden führt.

Der Zeitpunkt des Schnitts ist ebenfalls kritisch. Ein Schnitt im Sommer sollte auf ein Minimum beschränkt werden, da er den Baum schwächt. Ein zu später Schnitt im Frühjahr, wenn der Baum bereits voll im Saft steht, kann zu starkem „Bluten“ führen. Der Schnitt bei Frost ist ebenfalls zu vermeiden, da das gefrorene Holz leicht splittert und die Wundheilung bei niedrigen Temperaturen nicht einsetzt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Schnitt der Edelkastanie eine vorausschauende Planung und konsequentes Handeln erfordert. Ein gut durchdachter Schnitt von der Pflanzung an schafft einen Baum, der nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch gesund, stabil und über viele Jahrzehnte hinweg ertragreich ist. Er ist eine Investition in die Zukunft des Baumes, die sich reichlich auszahlt.

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