Die erfolgreiche Pflanzung und Vermehrung der Edelkastanie ist der grundlegende Schritt, um diesen prächtigen Baum im eigenen Garten zu etablieren und sich zukünftig an seinen köstlichen Früchten zu erfreuen. Während die Pflanzung eines jungen Baumes relativ unkompliziert ist, erfordert die Vermehrung, sei es durch Samen oder durch Veredelung, ein tiefergehendes gärtnerisches Wissen und etwas Geduld. Die richtige Vorbereitung des Bodens, die Wahl des optimalen Pflanzzeitpunktes und die sorgfältige Nachsorge sind entscheidende Faktoren, die über das Anwachsen und die gesunde Entwicklung des Baumes entscheiden. Ein fundiertes Verständnis dieser Prozesse ermöglicht es, die besten Voraussetzungen für ein langes und ertragreiches Baumleben zu schaffen.
Der ideale Zeitpunkt für die Pflanzung einer Edelkastanie ist entweder der Herbst oder das Frühjahr. Eine Herbstpflanzung, idealerweise im Oktober oder November, hat den Vorteil, dass der Baum vor dem Wintereinbruch noch neue Feinwurzeln bilden und im Frühjahr sofort mit dem Austrieb beginnen kann. Die Winterfeuchtigkeit sorgt zudem für eine gute Wasserversorgung. Eine Frühjahrspflanzung nach den letzten starken Frösten ist ebenfalls möglich und wird oft in raueren Klimazonen bevorzugt, um den jungen Baum vor strengen Wintern zu schützen. Unabhängig vom gewählten Zeitpunkt sollte die Pflanzung an einem bedeckten, frostfreien Tag erfolgen, um den Stress für die Pflanze so gering wie möglich zu halten.
Die Vorbereitung des Pflanzplatzes ist von zentraler Bedeutung. Wie bereits bei der allgemeinen Pflege beschrieben, benötigt die Edelkastanie einen tiefgründigen, gut drainierten und leicht sauren Boden an einem sonnigen Standort. Das Pflanzloch sollte großzügig bemessen sein, mindestens doppelt so breit und tief wie der Wurzelballen des jungen Baumes. Der Boden am Grund des Lochs wird gut aufgelockert, um das Eindringen der Wurzeln zu erleichtern. Bei schweren, lehmigen Böden ist die Einarbeitung von Sand oder Kompost zur Verbesserung der Drainage und Bodenstruktur unerlässlich, um die gefürchtete Staunässe zu verhindern.
Der eigentliche Pflanzvorgang erfordert Sorgfalt, um die empfindlichen Wurzeln nicht zu beschädigen. Der Baum wird so tief in das Loch gesetzt, wie er zuvor im Container oder in der Baumschule stand; die Veredelungsstelle, falls vorhanden, muss deutlich über dem Erdniveau bleiben. Nach dem Einsetzen wird das Pflanzloch mit der vorbereiteten, mit Kompost angereicherten Erde aufgefüllt, die zwischendurch immer wieder leicht angetreten wird, um Hohlräume zu vermeiden. Nach dem Pflanzen ist ein kräftiges Angießen, auch Einschlämmen genannt, entscheidend, damit die Wurzeln einen guten Bodenschluss bekommen. Ein Stützpfahl, der vor dem Verfüllen eingeschlagen wird, gibt dem jungen Baum in den ersten Jahren Halt und schützt ihn vor Windbruch.
Die Nachsorge in den ersten Monaten nach der Pflanzung ist kritisch für das erfolgreiche Anwachsen. Eine regelmäßige und ausreichende Bewässerung ist vor allem bei einer Frühjahrspflanzung und in trockenen Perioden unverzichtbar. Die Baumscheibe sollte frei von Unkraut gehalten werden, um die Konkurrenz um Wasser und Nährstoffe zu minimieren. Eine Mulchschicht aus Rindenmulch oder Laub hilft, die Bodenfeuchtigkeit zu bewahren und das Bodenleben zu fördern. Auf eine Düngung sollte im ersten Jahr verzichtet werden, um die Wurzelbildung anzuregen, anstatt ein übermäßiges Blattwachstum zu fördern.
Die generative Vermehrung durch Samen
Die Vermehrung der Edelkastanie durch Samen, auch generative Vermehrung genannt, ist eine einfache und kostengünstige Methode, um neue Pflanzen zu gewinnen. Allerdings ist zu beachten, dass die aus Samen gezogenen Bäume (Sämlinge) nicht die gleichen Eigenschaften wie die Mutterpflanze aufweisen müssen. Die Früchte können in Größe, Geschmack und Reifezeit stark variieren, und es dauert in der Regel deutlich länger, oft zehn Jahre oder mehr, bis ein Sämling die ersten Früchte trägt. Diese Methode eignet sich daher vor allem für Liebhaber, die experimentierfreudig sind oder Bäume für forstwirtschaftliche Zwecke oder als Unterlage für Veredelungen heranziehen möchten.
Für eine erfolgreiche Aussaat müssen die Samen, also die Maronen, einer Kältebehandlung unterzogen werden, der sogenannten Stratifikation. Dieser Prozess bricht die Keimruhe und simuliert die natürlichen Winterbedingungen. Dazu werden die frischen, gesunden Maronen im Herbst in leicht feuchten Sand oder Torf gelegt und für etwa drei bis vier Monate im Kühlschrank bei Temperaturen um die 4 Grad Celsius gelagert. Es ist wichtig, das Substrat während dieser Zeit leicht feucht zu halten, aber Schimmelbildung zu vermeiden, indem für eine gute Belüftung gesorgt wird.
Nach der Kälteperiode, im Frühjahr, können die Samen ausgesät werden. Die stratifizierten Maronen werden etwa zwei bis drei Zentimeter tief in Anzuchterde oder ein lockeres Substratgemisch in Töpfen oder direkt im Freiland an einem geschützten Ort ausgebracht. Der Keimling entwickelt zuerst eine kräftige Pfahlwurzel, bevor der Spross an der Oberfläche erscheint, was einige Wochen dauern kann. Die jungen Sämlinge müssen gleichmäßig feucht gehalten und vor Spätfrösten und starker Sonneneinstrahlung geschützt werden, bis sie kräftig genug sind, um an ihren endgültigen Standort verpflanzt zu werden.
Die Pflege der jungen Sämlinge im ersten Jahr ist entscheidend für ihre weitere Entwicklung. Sie benötigen einen hellen, aber nicht vollsonnigen Standort und eine konstante Wasserversorgung. Sobald die Pflänzchen eine Höhe von etwa 20 bis 30 Zentimetern erreicht haben und gut durchwurzelt sind, können sie in größere Töpfe umgetopft oder, falls sie kräftig genug sind, im Herbst an ihren endgültigen Platz im Garten gepflanzt werden. Es ist ratsam, die stärksten und gesündesten Sämlinge auszuwählen, um die besten Chancen auf einen robusten und ertragreichen Baum zu haben.
Die vegetative Vermehrung durch Veredelung
Die Veredelung ist die gängigste Methode in der professionellen Pflanzenanzucht, um sortenechte Edelkastanien zu vermehren. Bei diesem vegetativen Verfahren wird ein Edelreis, also ein Triebstück einer bewährten und ertragreichen Sorte, auf eine junge Unterlage, meist einen aus Samen gezogenen Sämling, aufgebracht. Der große Vorteil dieser Methode ist, dass der veredelte Baum genetisch identisch mit der Mutterpflanze ist und somit deren positive Eigenschaften wie Fruchtgröße, Geschmack und frühe Erträge übernimmt. Veredelte Bäume tragen oft schon nach drei bis fünf Jahren die ersten Früchte.
Die Wahl der richtigen Unterlage ist für den Erfolg der Veredelung von großer Bedeutung. In der Regel werden zwei- bis dreijährige Sämlinge von Castanea sativa oder in manchen Regionen auch resistente Hybridunterlagen verwendet, die an die lokalen Boden- und Klimabedingungen gut angepasst sind. Die Unterlage sollte gesund, kräftig und im Durchmesser passend zum Edelreis sein. Eine gute Kompatibilität zwischen Unterlage und Edelreis ist entscheidend für ein stabiles Zusammenwachsen und eine lange Lebensdauer des Baumes.
Die Veredelung selbst wird meist im späten Winter oder im zeitigen Frühjahr durchgeführt, kurz bevor der Saftstrom in den Pflanzen einsetzt. Eine der gebräuchlichsten Methoden bei der Edelkastanie ist die Kopulation oder die verbesserte Form, die Kopulation mit Gegenzunge. Dabei werden Unterlage und Edelreis mit einem schrägen, glatten Schnitt versehen, sodass die Schnittflächen exakt aufeinanderpassen. Besonders wichtig ist es, dass die Kambiumschichten, die dünne Wachstumsschicht direkt unter der Rinde, von Unterlage und Edelreis genau aufeinanderliegen, da nur hier die Verwachsung stattfinden kann.
Nach dem Zusammenfügen wird die Veredelungsstelle fest mit Veredelungsband oder Bast umwickelt, um die beiden Teile zu fixieren und das Eindringen von Luft und Feuchtigkeit zu verhindern. Zusätzlich wird die gesamte Wundstelle, einschließlich der oberen Schnittfläche des Edelreises, sorgfältig mit Baumwachs oder einem speziellen Veredelungsmittel verstrichen. Dies schützt die empfindliche Stelle vor Austrocknung und Infektionen. Nach einer erfolgreichen Veredelung treibt das Edelreis im Frühjahr aus und beginnt, eine neue Krone zu bilden, die die gewünschten Sorteneigenschaften trägt.
Besonderheiten bei der Befruchtung
Ein wichtiger Aspekt, der bei der Pflanzung von Edelkastanien berücksichtigt werden muss, ist die Befruchtung. Die meisten Edelkastaniensorten sind nicht selbstfruchtbar, was bedeutet, dass sie den Pollen einer anderen Sorte benötigen, um Früchte anzusetzen. Ein einzeln stehender Baum wird daher in der Regel keine oder nur sehr wenige Maronen hervorbringen. Es ist daher zwingend erforderlich, mindestens zwei verschiedene Sorten in relativer Nähe zueinander zu pflanzen, um eine gegenseitige Bestäubung zu ermöglichen. Der Abstand zwischen den Bäumen sollte idealerweise nicht mehr als 30 bis 50 Meter betragen.
Die Blütezeit der Edelkastanie ist relativ spät, meist im Juni oder Juli, was die Blüten vor Spätfrösten schützt. Die Bäume bilden sowohl männliche als auch weibliche Blüten. Die männlichen Blüten stehen in langen, aufrechten Kätzchen und produzieren große Mengen an Pollen, während die unscheinbaren weiblichen Blüten meist zu mehreren an der Basis der männlichen Kätzchen sitzen. Die Bestäubung erfolgt hauptsächlich durch den Wind, aber auch Insekten tragen zur Übertragung des Pollens bei.
Bei der Auswahl der Befruchtersorte ist darauf zu achten, dass sich die Blütezeiten der beiden Sorten überschneiden. Informationen über geeignete Befruchterpartner sind in der Regel in Baumschulen oder in der Fachliteratur erhältlich. Es gibt inzwischen auch einige neuere Züchtungen, die als teilweise selbstfruchtbar gelten, aber auch bei diesen Sorten wird der Ertrag durch eine Fremdbestäubung deutlich gesteigert. Wer also auf eine reiche Ernte Wert legt, sollte auf die Pflanzung einer zweiten Sorte nicht verzichten.
Für Gärten mit begrenztem Platzangebot gibt es eine interessante Alternative: sogenannte Duo-Bäume. Bei diesen Bäumen wurden zwei verschiedene Sorten auf eine einzige Unterlage veredelt. Ein solcher Baum kann sich selbst befruchten und trägt somit auch in Einzelstellung Früchte. Dies ist eine praktische Lösung für kleinere Gärten, in denen kein Platz für zwei große Kastanienbäume vorhanden ist. Es ist jedoch wichtig, beim Schnitt darauf zu achten, dass beide Sorten erhalten bleiben und sich gleichmäßig entwickeln können.
Auswahl der richtigen Sorte
Die Wahl der passenden Sorte ist entscheidend für den Erfolg und die Freude am Anbau von Edelkastanien. Weltweit gibt es Hunderte von verschiedenen Sorten, die sich in Bezug auf Fruchtgröße, Geschmack, Reifezeit, Wuchsform und Resistenz gegenüber Krankheiten unterscheiden. Bei der Auswahl sollten die klimatischen Bedingungen des eigenen Standortes, der zur Verfügung stehende Platz und die persönliche Vorliebe für den Geschmack der Früchte berücksichtigt werden. Es ist ratsam, sich für Sorten zu entscheiden, die sich in der jeweiligen Region bereits bewährt haben.
Für kühlere Regionen eignen sich besonders früh reifende Sorten, deren Früchte auch in kürzeren Sommern zuverlässig ausreifen. Sorten wie ‚Bouche de Bétizac‘ oder ‚Marsol‘ sind bekannt für ihre relativ frühe Reife und ihre großen, wohlschmeckenden Früchte. Zudem zeigen sie eine gute Resistenz gegenüber dem Kastanienrindenkrebs, einer der gefährlichsten Krankheiten für Edelkastanien. Diese Hybrid-Sorten sind oft das Ergebnis von Kreuzungen zwischen der europäischen (Castanea sativa) und der japanischen (Castanea crenata) oder chinesischen Kastanie (Castanea mollissima).
In wärmeren Lagen mit langen Herbsten können auch später reifende, traditionelle Sorten angebaut werden, die oft für ihr besonders intensives Aroma geschätzt werden. Maronen-Sorten, die sich durch große Früchte auszeichnen, bei denen sich die innere Samenschale leicht entfernen lässt, sind für die kulinarische Verarbeitung besonders beliebt. Beim Kauf sollte man sich in einer spezialisierten Baumschule beraten lassen, welche Sorten für den eigenen Standort und als gegenseitige Befruchter geeignet sind.
Neben den Fruchtertragssorten gibt es auch Zierformen der Edelkastanie, die aufgrund ihrer besonderen Wuchsform oder Blattfärbung geschätzt werden. Die Sorte ‚Albomarginata‘ beispielsweise besitzt Blätter mit einem attraktiven weißen Rand, während ‚Aspleniifolia‘ durch ihre tief geschlitzten, farnartigen Blätter auffällt. Diese Sorten tragen zwar oft weniger oder kleinere Früchte, sind aber aufgrund ihres hohen Zierwerts eine Bereicherung für jeden größeren Garten oder Park.