Der Schnitt und Rückschnitt der weißbeerigen Mistel ist eine wichtige Pflegemaßnahme, die jedoch nicht dem typischen Formschnitt oder der Ertragssteigerung dient, wie man es von anderen Gartenpflanzen kennt. Vielmehr geht es bei dieser Maßnahme um die Kontrolle des Wachstums und die Steuerung der Belastung für den Wirtsbaum. Eine einzelne, kleine Mistel benötigt in der Regel keinen Schnitt. Ein Eingriff wird erst dann notwendig, wenn die Mistel zu groß und schwer wird, der Befall überhandnimmt oder die Vitalität des Wirtsbaumes sichtlich unter dem Halbschmarotzer leidet. Das primäre Ziel eines Rückschnitts ist es also immer, die Gesundheit und Stabilität des Wirtsbaumes zu erhalten oder wiederherzustellen.
Der beste Zeitpunkt für einen Rückschnitt ist das späte Winterende oder das sehr frühe Frühjahr, etwa von Ende Januar bis Anfang April. In dieser Zeit befindet sich der Wirtsbaum noch in der Winterruhe, und die Mistel ist in den kahlen Ästen gut sichtbar und erreichbar. Ein Schnitt vor dem Austrieb des Baumes stellt sicher, dass die Energie des Wirtes in die verbleibenden gesunden Triebe und nicht in die Regeneration der zurückgeschnittenen Mistel fließt. Zudem ist die Wundheilung des Baumes zu Beginn der Vegetationsperiode am besten.
Für den Rückschnitt verwendet man am besten eine scharfe und saubere Astsäge oder eine robuste Gartenschere, je nach Dicke der Misteltriebe. Es ist wichtig, die Mistel so nah wie möglich am Ast des Wirtsbaumes abzuschneiden. Man sollte versuchen, die Rinde des Wirtsastes dabei nicht zu verletzen. Ein glatter Schnitt direkt am Ansatz des Mistelbusches ist die sauberste Methode. Das Tragen einer Schutzbrille ist ratsam, da beim Sägen kleine Teile herabfallen können.
Man muss sich bewusst sein, dass ein einfacher Rückschnitt die Mistel nicht dauerhaft entfernt. Die Mistel bildet im Inneren des Astes ein wurzelähnliches Geflecht, das Haustorium oder Senker genannt wird. Aus diesem Geflecht wird die Mistel nach einem Rückschnitt innerhalb von ein bis drei Jahren wieder neu austreiben. Der Rückschnitt ist also eine Maßnahme zur temporären Entlastung des Baumes und zur Kontrolle der Größe des Mistelbusches, nicht zu seiner vollständigen Beseitigung.
Gründe für einen rückschnitt
Es gibt verschiedene Gründe, die einen Rückschnitt der Mistel erforderlich oder wünschenswert machen. Der häufigste Grund ist die Entlastung des Wirtsbaumes. Wenn ein Baum von sehr vielen oder sehr großen Misteln befallen ist, kann der kumulierte Wasser- und Nährstoffentzug zu einer erheblichen Schwächung führen. Das Zurückschneiden einiger oder aller Misteln gibt dem Baum die Möglichkeit, sich zu erholen, Reserven aufzubauen und seine Vitalität zu steigern.
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Ein weiterer wichtiger Grund ist die Reduzierung der mechanischen Last. Eine ausgewachsene Mistelkugel kann, besonders wenn sie nass von Regen oder mit Schnee beladen ist, ein beträchtliches Gewicht erreichen. Dieses Gewicht belastet den Ast, auf dem sie wächst, und erhöht die Gefahr von Astbruch, insbesondere bei Wind oder Sturm. Ein gezielter Rückschnitt zu großer Mistelbüsche ist daher auch eine Maßnahme zur Sicherung der Baumstatik und zur Vermeidung von Schäden.
In manchen Fällen wird ein Rückschnitt auch aus ästhetischen Gründen durchgeführt. Wenn die Mistel die Wuchsform des Baumes negativ beeinflusst oder wenn man eine zu dominante Präsenz der Mistel reduzieren möchte, kann ein Formschnitt des Mistelbusches vorgenommen werden. Dabei wird die Kugelform erhalten, aber die Größe reduziert. Dies ist jedoch eher eine kosmetische Maßnahme, die die Belastung für den Baum nur unwesentlich verringert.
Im Obstbau ist der Hauptgrund für den Schnitt die Sicherung des Ertrags. Misteln konkurrieren mit den Früchten um Wasser und Nährstoffe, was zu kleineren Früchten und geringeren Ernten führen kann. Zudem beschatten sie Fruchtholz. Daher werden Misteln auf Obstbäumen oft konsequent zurückgeschnitten oder, wenn möglich, vollständig entfernt, um die Produktivität des Baumes zu maximieren.
Methoden des schnittes und ihre wirkung
Die einfachste und am häufigsten angewandte Methode ist der bereits beschriebene Rückschnitt direkt am Ast des Wirtes. Diese Methode reduziert die Größe der Mistel auf null, aber nicht ihre Präsenz im Ast. Sie bietet dem Baum eine mehrjährige Erholungspause, bevor die Mistel wieder zu einer nennenswerten Größe heranwächst. Dieser Zyklus aus Wachstum und Rückschnitt kann über viele Jahre wiederholt werden, um ein Gleichgewicht zwischen Baum und Mistel zu halten.
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Eine radikalere, aber auch die einzige Methode zur vollständigen Entfernung, ist der Schnitt am Wirtsast. Dabei wird der gesamte Ast, auf dem die Mistel wächst, hinter der Befallsstelle bis ins gesunde Holz zurückgeschnitten. Dadurch wird die Mistel mitsamt ihrem Haustorium komplett entfernt, und ein Wiederaustreiben an dieser Stelle ist unmöglich. Diese Methode ist jedoch ein starker Eingriff in die Kronenstruktur des Baumes und sollte nur bei starkem Befall an entbehrlichen Ästen oder bei sehr wertvollen Bäumen angewendet werden.
Ein sogenannter Verjüngungsschnitt an der Mistel selbst ist ebenfalls möglich. Dabei werden nur die ältesten und größten Triebe aus dem Mistelbusch entfernt, um ihn auszulichten und in seiner Größe zu begrenzen. Dies ist eine schonendere Methode, die die Belastung für den Baum reduziert, ohne die Mistel komplett zu entfernen. Sie ist geeignet, wenn man die Mistel als Zierelement erhalten, aber ihr Wachstum kontrollieren möchte.
Es gibt keine chemischen Methoden, um Misteln zu bekämpfen, ohne den Wirtsbaum massiv zu schädigen. Alle Herbizide, die auf die Mistel wirken würden, würden über die Leitungsbahnen auch den Baum vergiften. Der manuelle Schnitt ist daher die einzige praktikable und umweltfreundliche Methode zur Kontrolle und Entfernung der weißbeerigen Mistel.
Werkzeug und sicherheit
Die Wahl des richtigen Werkzeugs ist für einen sauberen und sicheren Schnitt unerlässlich. Für dünnere Misteltriebe bis zu einem Durchmesser von etwa zwei Zentimetern ist eine scharfe Bypass-Gartenschere gut geeignet. Für stärkere Triebe oder den gesamten Mistelbusch sollte eine klappbare Astsäge oder eine Bügelsäge verwendet werden. Die Werkzeuge müssen scharf sein, um glatte Schnitte zu erzeugen, die schnell verheilen und keine unnötigen Verletzungen an der Rinde des Wirtsbaumes hinterlassen.
Die Sicherheit hat bei Arbeiten in der Baumkrone oberste Priorität. Viele Misteln wachsen in großer Höhe, die nur mit einer Leiter oder durch Klettern erreichbar ist. Es sollte immer eine stabile und sicher aufgestellte Leiter verwendet werden. Bei Arbeiten in größerer Höhe ist die Beauftragung eines professionellen Baumpflegers oder Arboristen, der über die entsprechende Kletterausrüstung und Erfahrung verfügt, die sicherste Lösung.
Das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung ist dringend zu empfehlen. Eine Schutzbrille schützt die Augen vor herabfallenden Spänen und kleinen Zweigen. Feste Handschuhe schützen die Hände vor Verletzungen durch raue Rinde oder scharfe Werkzeuge. Festes Schuhwerk sorgt für einen sicheren Stand auf der Leiter oder am Boden.
Nach dem Schnitt sollte das anfallende Schnittgut entsorgt werden. Mistelzweige können kompostiert werden, wobei der Rotteprozess aufgrund der ledrigen Blätter etwas länger dauern kann. Die Beeren am Schnittgut sollten, wenn möglich, entfernt und im Restmüll entsorgt werden, um eine unkontrollierte Verbreitung der Samen im Garten zu verhindern.
Langfristige strategie und planung
Der Schnitt der Mistel sollte Teil einer langfristigen Pflegestrategie für den Wirtsbaum sein. Es ist selten eine einmalige Aktion. Man sollte den Zustand des Baumes und das Wachstum der Mistel kontinuierlich beobachten und bei Bedarf eingreifen. Das Ziel sollte sein, ein stabiles Gleichgewicht zu finden, bei dem der Baum gesund bleibt und eine moderate Anzahl an Misteln tolerieren kann.
Die Entscheidung, wie viele Misteln ein Baum tragen kann, hängt von seiner Art, seinem Alter, seinem Standort und seinem allgemeinen Gesundheitszustand ab. Ein junger, vitaler Apfelbaum auf einer Streuobstwiese kann vielleicht zwei oder drei Mistelbüsche problemlos versorgen, während bei einem alten, bereits geschwächten Stadtbaum schon eine einzige große Mistel eine Überlastung darstellen kann. Hier ist eine individuelle Beurteilung durch den Gärtner gefragt.
Es kann sinnvoll sein, einen Plan zu erstellen, in dem festgelegt wird, welche Misteln erhalten bleiben und welche in einem Rotationsverfahren zurückgeschnitten werden. So kann man beispielsweise jedes Jahr ein Drittel der größten Misteln zurückschneiden, um die Gesamtbelastung für den Baum konstant niedrig zu halten, ohne ihn jemals vollständig von den Misteln zu befreien.
Letztendlich ist der Schnitt der Mistel eine Kunst, die ein gutes Verständnis für die Biologie von Baum und Schmarotzer erfordert. Es geht darum, durch gezielte Eingriffe das Zusammenleben der beiden Partner so zu steuern, dass sowohl der Baum als Lebensgrundlage als auch die Mistel als faszinierendes Naturelement langfristig im Garten erhalten bleiben können. Ein gut geplanter Schnitt ist dabei der Schlüssel zum Erfolg.