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Der Schnitt und Rückschnitt der Elsbeere

Daria · 07.05.2025.

Der Schnitt von Gehölzen ist eine der anspruchsvollsten gärtnerischen Tätigkeiten, die ein tiefes Verständnis für die Wuchsgesetze der jeweiligen Pflanzenart erfordert. Bei der Elsbeere, die von Natur aus eine harmonische und wohlgeformte Krone entwickelt, gilt das Prinzip „weniger ist mehr“. Im Gegensatz zu vielen intensiv kultivierten Obstbäumen, die einen regelmäßigen und starken Schnitt benötigen, um fruchtbar zu bleiben, kommt die Elsbeere mit minimalen Eingriffen aus. Ein unsachgemäßer oder übermäßiger Rückschnitt kann ihrem natürlichen Wuchscharakter schaden und ihre Vitalität beeinträchtigen. Das Ziel jeglicher Schnittmaßnahme sollte daher nicht die radikale Formgebung, sondern die behutsame Unterstützung der natürlichen Kronenentwicklung und die Erhaltung der Baumgesundheit sein.

Grundlagen und der richtige Zeitpunkt

Bevor man zur Schere greift, ist es wichtig, die grundlegenden Ziele eines Schnitts zu verstehen. Bei der Elsbeere sind dies vorrangig die Förderung eines stabilen Kronenaufbaus in der Jugend, die Erhaltung der Vitalität im Alter und die Entfernung von totem oder krankem Holz. Ein Formschnitt ist in der Regel nicht notwendig, da der Baum von selbst eine ästhetische, breit-pyramidale bis rundliche Krone bildet. Jeder Schnitt stellt eine Verletzung für den Baum dar und sollte daher gut überlegt und fachmännisch ausgeführt werden.

Der optimale Zeitpunkt für die meisten Schnittmaßnahmen an der Elsbeere ist der späte Winter, etwa von Ende Januar bis Anfang März. In dieser Zeit befindet sich der Baum in der Vegetationsruhe, was den Saftverlust an den Schnittstellen minimiert. Zudem sind die Äste ohne Laub gut sichtbar, was die Beurteilung der Kronenstruktur erleichtert. Es sollte unbedingt an einem trockenen und frostfreien Tag geschnitten werden, da bei Frost das Holz splittern kann und feuchtes Wetter das Eindringen von Pilzsporen in die frischen Wunden begünstigt.

Ein Sommerschnitt, etwa im Juli oder August, sollte auf ein Minimum beschränkt werden. Er eignet sich hauptsächlich zur Entfernung von sogenannten Wasserschossen – den steil nach oben wachsenden Trieben, die sich oft nach einem stärkeren Winterschnitt bilden. Diese Triebe sind unproduktiv und verdichten die Krone unnötig. Werden sie im Sommer entfernt, ist der Neuaustrieb geringer als bei einem Winterschnitt. Kleinere Korrekturen oder das Entfernen von beschädigten Ästen sind ebenfalls im Sommer möglich.

Die Verwendung von scharfem und sauberem Werkzeug ist von größter Bedeutung. Eine scharfe Säge oder Schere erzeugt glatte Schnittwunden, die der Baum leichter verschließen kann als ausgefranste Wunden. Nach dem Schnitt von kranken Ästen und vor dem Wechsel zum nächsten Baum sollte das Werkzeug unbedingt mit Alkohol oder einem anderen Desinfektionsmittel gereinigt werden, um die Übertragung von Krankheitserregern zu verhindern. Das Verschließen größerer Wunden mit Wundverschlussmittel wird heute von vielen Experten nicht mehr generell empfohlen, da es die natürliche Wundheilung behindern kann.

Der Pflanz- und Erziehungsschnitt bei Jungbäumen

Direkt nach der Pflanzung ist in der Regel kein starker Rückschnitt notwendig, es sei denn, die Krone ist stark beschädigt oder unausgewogen. Ein leichter Pflanzschnitt kann helfen, ein Gleichgewicht zwischen der durch das Umpflanzen reduzierten Wurzelmasse und der Krone herzustellen. Dabei werden die Seitentriebe um etwa ein Drittel eingekürzt und ein eventuell vorhandener Konkurrenztrieb zum Mitteltrieb entfernt. Dieser erste Schnitt legt den Grundstein für die zukünftige Kronenstruktur.

In den ersten drei bis fünf Jahren nach der Pflanzung folgt der Erziehungsschnitt, dessen Ziel der Aufbau eines stabilen und gut strukturierten Kronengerüsts ist. Dabei wird ein klarer Mitteltrieb gefördert und drei bis vier kräftige, gut verteilte Seitenäste als zukünftige Leitäste ausgewählt. Diese Leitäste sollten in einem günstigen Winkel vom Stamm abgehen und nicht direkt übereinander stehen, um eine gute Statik und Belichtung der Krone zu gewährleisten.

Alle anderen Äste, die mit den ausgewählten Leitästen konkurrieren, zu steil wachsen, sich kreuzen oder nach innen wachsen, werden entfernt. Der Schnitt erfolgt dabei immer direkt am Astring, dem wulstigen Übergang vom Ast zum Stamm, ohne einen Stummel stehen zu lassen. Diese Vorgehensweise fördert eine schnelle und saubere Wundheilung. Der Erziehungsschnitt ist die wichtigste Phase der Schnittmaßnahmen, da hier die Weichen für ein langes und gesundes Baumleben gestellt werden.

Nachdem das Grundgerüst der Krone etabliert ist, werden die Schnittmaßnahmen von Jahr zu Jahr reduziert. Der Baum soll sich nun möglichst ungestört weiterentwickeln können. Der Gärtner greift nur noch korrigierend ein, wenn sich Fehlentwicklungen wie neue Konkurrenztriebe oder sich kreuzende Äste zeigen. Ziel ist es, den Baum so früh wie möglich aus der intensiven Erziehungsphase zu entlassen und ihn seiner natürlichen Entwicklung zu überlassen.

Der Erhaltungsschnitt bei etablierten Bäumen

Bei ausgewachsenen, etablierten Elsbeeren beschränkt sich der Schnitt auf ein absolutes Minimum und wird nur bei Bedarf durchgeführt. Diese Phase wird als Erhaltungsschnitt bezeichnet. Die wichtigste Maßnahme ist das regelmäßige Entfernen von totem, krankem oder beschädigtem Holz. Solche Äste stellen eine potenzielle Eintrittspforte für holzzersetzende Pilze und Schädlinge dar und sollten daher sauber am Ansatz entfernt werden, um die Vitalität des Baumes zu sichern.

Ein weiteres Ziel des Erhaltungsschnitts ist das Auslichten der Krone, falls diese zu dicht wird. Zu dicht stehende Äste beschatten sich gegenseitig, was zum Absterben des inneren Fruchtholzes führt. Eine gute Luftzirkulation wird behindert, was Pilzkrankheiten fördert. Beim Auslichten werden ganze Äste an ihrer Basis entfernt, anstatt alle Triebe nur einzukürzen. Vorrangig entfernt man nach innen wachsende, sich kreuzende oder parallel wachsende Triebe.

Die natürliche Wuchsform der Elsbeere sollte dabei stets respektiert werden. Radikale Rückschnitte oder das Kappen der Spitze (Kappung) sind unbedingt zu vermeiden. Solche Eingriffe zerstören die natürliche Kronenarchitektur, führen zu einem unkontrollierten Austrieb von Wasserschossen und erzeugen große Wunden, die nur schwer verheilen und Fäulnis begünstigen. Ein guter Schnitt an einem erwachsenen Baum ist der, den man nachher kaum sieht.

Die Häufigkeit des Erhaltungsschnitts hängt vom Zustand und Alter des Baumes ab. In der Regel ist ein Kontrollgang alle zwei bis drei Jahre ausreichend, um die notwendigen Korrekturen vorzunehmen. Es geht nicht darum, jedes Jahr etwas schneiden zu müssen, sondern darum, den Baum zu beobachten und nur dann einzugreifen, wenn es für seine Gesundheit und Stabilität wirklich notwendig ist.

Verjüngungsschnitt bei alten oder vernachlässigten Bäumen

Alte Elsbeeren, die über viele Jahre nicht geschnitten wurden, können vergreisen. Das Wachstum lässt nach, die Krone wird sehr dicht und das Fruchtholz im Inneren stirbt ab. In solchen Fällen kann ein gezielter Verjüngungsschnitt die Vitalität des Baumes wieder anregen. Dieser Eingriff ist jedoch anspruchsvoll und sollte mit großer Vorsicht und über mehrere Jahre verteilt durchgeführt werden, um den Baum nicht zu überfordern.

Das Ziel des Verjüngungsschnitts ist es, altes, unproduktives Holz zu entfernen und neues, vitales Wachstum zu fördern. Dabei werden einzelne, dicke und alte Äste nicht einfach abgesägt, sondern auf einen jüngeren, vitaleren und nach außen wachsenden Seitentrieb abgeleitet. Dieser Seitentrieb übernimmt dann die Funktion des alten Astes und sorgt für eine Erneuerung der Krone. Pro Jahr sollten nicht mehr als ein oder zwei solcher größeren Äste entfernt werden.

Ein radikaler Rückschnitt der gesamten Krone in einem Jahr, wie er bei manchen Weichobstsorten praktiziert wird, ist bei der Elsbeere absolut tabu. Der Baum würde mit einem massiven Austrieb von Wasserschossen reagieren und wäre stark geschwächt. Die Verjüngung ist ein langsamer Prozess, der dem Baum Zeit geben muss, sich an die Veränderungen anzupassen und neue Strukturen aufzubauen. Geduld ist hier der Schlüssel zum Erfolg.

Bei sehr alten und wertvollen Bäumen oder wenn man sich unsicher ist, ist es immer ratsam, einen professionellen Baumpfleger oder einen zertifizierten Arboristen hinzuzuziehen. Diese Fachleute verfügen über das nötige Wissen und die Erfahrung, um auch komplexe Schnittmaßnahmen sicher und baumgerecht durchzuführen. Eine solche Investition lohnt sich, um die Gesundheit und Schönheit eines alten Baumes für viele weitere Jahre zu erhalten.

Spezielle Schnittmaßnahmen und Fehlervermeidung

Neben den grundlegenden Schnittarten gibt es einige spezielle Aspekte zu beachten. So neigt die Elsbeere manchmal zur Bildung von Wurzelbrut, also Trieben, die direkt aus den Wurzeln rund um den Stamm austreiben. Diese sollten regelmäßig entfernt werden, da sie dem Hauptbaum Kraft rauben. Sie werden am besten mit einem scharfen Spaten direkt an der Wurzel abgestochen oder mit der Hand ausgerissen.

Ein häufiger Fehler ist das Schneiden bei falscher Witterung, insbesondere bei Nässe oder Frost. Dies erhöht das Risiko von Infektionen und mechanischen Schäden am Holz erheblich. Ein weiterer Fehler ist das Stehenlassen von Aststummeln, den sogenannten „Kleiderhaken“. Diese Stummel kann der Baum nicht überwallen, sie trocknen ein und werden zu Eintrittspforten für Fäulnis, die sich bis in den Stamm fortsetzen kann. Der Schnitt muss immer sauber am Astring erfolgen.

Die Angst vor dem Schnitt ist ebenso ein Fehler wie ein zu starker Eingriff. Das vollständige Unterlassen von Pflegemaßnahmen, insbesondere das Belassen von totem oder krankem Holz, kann die Gesundheit des Baumes auf Dauer ebenfalls gefährden. Der Schlüssel liegt in einem ausgewogenen, zurückhaltenden und kenntnisbasierten Vorgehen, das die individuellen Bedürfnisse und die natürliche Wuchsform des Baumes respektiert.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Schnitt der Elsbeere eine Kunst der Zurückhaltung ist. Ein gut durchgeführter Erziehungsschnitt in der Jugend schafft die Basis für ein langes, gesundes Leben. Im Alter beschränken sich die Eingriffe auf das Notwendigste, um die Vitalität zu erhalten und Gefahren abzuwenden. Wer die natürliche Schönheit der Elsbeere schätzt, wird sie mit minimalen, aber gezielten Eingriffen unterstützen und sich an einem prächtigen, charaktervollen Baum erfreuen.

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